2018/02/24

Wissenschaft im Gleichschritt

Als ich in den 1980er Jahren Student war, gab es an unserem Physik-Institut einen Dozenten, der in seinem Büro folgendes Zitat hängen hatte:

Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann hat er sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde. (Albert Einstein)

Gleich neben dem Poster mit diesem Zitat hing ein weiteres Bild: Karl Marx.

Obwohl Marx den Anspruch hatte, den Sozialismus wissenschaftlich zu begründen, waren er und seine Epigonen durchaus selektiv, wenn es darum ging, was als wissenschaftlich gelten durfte. Der Lyssenkoismus ist davon nur ein trauriges Beispiel von vielen. Doch auch in der Physik war den Marxisten nicht alles geheuer: Quanten- und Relativitätstheorie wurden lange Zeit hindurch abgelehnt.

Je mehr sich linkes Gedankengut in unserer Gesellschaft ausbreitete und zum dominierenden Mainstream wurde, umso mehr wurde auch die Wissenschaft in ein ideologisches Korsett gezwängt. In manchen Studiengängen, die sich per se einer objektiven und faktischen Überprüfung entzogen, gehörte der ideologische Überbau quasi zum Programm. Aber auch die Naturwissenschaften blieben nicht ausgespart und müssen sich immer mehr hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Relevanz rechtfertigen.

Wohin dieser Druck führt, zeigt sehr anschaulich ein Artikel von Boris Kotchoubey. Man wird sehen, inwiefern die Wissenschaft diese schädlichen Tendenzen wieder abschütteln kann. Je einseitiger der Blickwinkel wissenschaftlicher Erkenntnisse ist, umso weniger werden abweichende Standpunkte akzeptiert. Die Vergabe von Forschungsgeldern nach fachfremden Kriterien verstärkt diese Einseitigkeit. Am Ende geht es nicht mehr darum, zu erkennen, "was die Welt im Innersten zusammenhält", sondern um die fortlaufende Bestätigung des ewig Gleichen. Eine Art Erkenntnisblase.

Dabei ist Wissenschaft ganz wesentlich von Geist des Skeptizismus geprägt, vom Hinterfragen des Erreichten und Bestehenden, von der Herausforderung durch neue Ansätze, Theorien und Modelle. Wenn dieser Geist aus politischen oder pragmatischen Gründen immer mehr ausgetrocknet wird, wird endlich auch die Produktivität der Wissenschaft verdorren.

Immer wieder wird von der gesellschaftlichen Verantwortung der Forschung gesprochen und diese teils vehement eingefordert. Es ist schon klar, dass der Wissenschaftler nicht losgelöst von der gesellschaftlichen Wirklichkeit Erkenntnisse produziert. Wenn diese Forderung allerdings dazu führt, dass der Forschende gewisse Pfade nicht mehr beschreiten darf und ihm somit bestimmte Erkenntniswege abgeschnitten werden, so wird damit unmittelbar die Axt an Erkenntnisprozess gelegt. Und das wird, früher oder später, wieder Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Und es ist gut möglich, dass diese Folgewirkungen negativ zu spüren sein werden.


2018/02/13

El Hierro - energieautark mit regenerativen Quellen?

In regelmäßigen Abständen berichtet Roger Andrews auf Energy Matters über ein Projekt auf der Kanaren-Insel El Hierro, das seit 2015 eine hundertprozentige Energieautarkie zum Ziel hatte, diese jedoch ebenso regelmäßig deutlich verfehlt.

Gorona del Viento (GdV) supplied 37.6% of El Hierro’s electricity in December and 8.6% of its energy, up from 24.7% and 5.7% in November. Since project startup in June 2015 GdV has supplied 40.9% of El Hierro’s electricity and 9.4% of its energy. In 2017 GdV supplied 46.3% of El Hierro’s electricity and 10.6% of its energy, up from 40.7% and 9.4% in 2016.

Die grundlegende Idee des Projekts war mittels eines Pumpspeicherkraftwerks die Schwankungen der Regenerativen abzupuffern, also die Produktionsüberschüsse in den oberen von zwei Speicherseen zu transferieren und daraus dann bei Windflaute die Energie wieder kontrolliert zu entnehmen. Allerdings konnte der untere der beiden Speicher nicht ausreichend groß angelegt werden (wohl aus geologischen Gründen), sodass das Kraftwerk nicht in der Lage ist, die kleine Insel völlig energieautark zu machen. Nach R. Andrews müsste der untere Speichersee dazu um den Faktor 40 (!) größer dimensioniert werden. Aber nicht nur das: auch die Kapazität der Windkraftanlagen müsste um 50% gesteigert werden, wollte man das großspurige Ziel erreichen.

Die Konsequenz: Man dümpelt deutlich unterhalb der Zielmarke herum, was die spanischen Medien jedoch nicht davon abhält, ins Schwärmen zu geraten (El Hierro makes utopia the norm - El Hierro macht Utopie zur Norm), während die Dieselgeneratoren auf der Insel tapfer die Stromversorgung aufrecht erhalten. Fake News vom Feinsten.

Zum ausführlichen Artikel geht's hier.


2018/02/10

Wahrscheinlichkeiten

In den Medien (und nicht nur dort, dort dafür aber besonders intensiv) wird oft mit Wahrscheinlichkeiten hantiert, vor allem natürlich mit der Absicht, die Leser zu beeindrucken oder ihr Denken in eine bestimmte Richtung zu lenken. Nun stammen die allermeisten dieser Zahlen gar nicht von den Medienleuten selbst, sondern aus diversen "Studien", deren Qualität gelegentlich selbst zu wünschen übrig lässt.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde irgendwo darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlags zu werden, bedeutend geringer ist, als zu Hause von der Leiter zu fallen und sich das Genick zu brechen. Das ist ein sehr interessantes Beispiel, weil es die Schwächen eines derart instrumentalisierten Wahrscheinlichkeitsbegriffs schön aufzeigt.

Dazu zunächst einmal die Frage: Wie werden Wahrscheinlichkeiten berechnet? Nun, im oben genannten Beispiel nimmt man die Anzahl der Opfer von Terrorattacken in einem bestimmten Gebiet (z.B. Frankreich) innerhalb eines bestimmten Zeitraums (z.B. ein Jahr) und dividiert durch die Anzahl der in diesem Gebiet lebenden Menschen. Und schon hat man x% Wahrscheinlichkeit dafür, einem Anschlag zum Opfer zu fallen.

Genauso hält man es mit der Vergleichsgröße. Da werden die Leiterstürze zusammengezählt und durch die Gesamtpopulation dividiert. Wieder erhält man eine Wahrscheinlichkeit von y% für das entsprechende Ereignis. So weit, so einfach.

Und genau hier hören die meisten Leute (und natürlich auch die Medienschreiber) zu denken auf. Dabei beginnt es erst hier richtig interessant zu werden. Ein Blick auf die Opfer kann dabei helfen.

Fangen wir mit den Leitern an. Babys und alte, gebrechliche Menschen steigen üblicherweise nicht auf Leitern. Dazu kommen eine Reihe anderer Leute, die aus bestimmten Gründen, etwa weil sie keine Leiter haben oder ihnen leicht schwindlig wird, niemals auf eine Leiter steigen. Außerdem gibt es unterschiedliche Frequenzen, mit denen Leitern benutzt werden. Für Maler und Anstreicher etwa ist die Benutzung einer Leiter täglicher Teil ihres Berufs. Andere Menschen steigen vielleicht nur einmal alle 10 Jahre auf eine Leiter. Es ist sofort intuitiv klar, dass die Unfallswahrscheinlichkeiten dann auch sehr unterschiedlich ausfallen können.

Es ist also unsinnig, die Wahrscheinlichkeit eines Leitersturzes mit Bezug auf die gesamte Bevölkerung zu berechnen. Würde man hingegen die Zahl jener Leute, die tatsächlich innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine Leiter benutzen, als Bezugsgröße nehmen, erhielte man die korrekte Wahrscheinlichkeite. Diese Zahl herauszufinden, ist natürlich nicht trivial. Wir sollten aber dennoch versuchen, sie abzuschätzen.

Also ziehen wir von der Gesamtbevölkerung alle Babys unter einem Jahr, alle älteren Menschen über 70 Jahren sowie eine unbekannten Anzahl von grundsätzlich Leiterscheuen ab, dann kommen wir der Realität schon bedeutend näher. Gut, es mag den einen oder anderen 75jährigen geben, der gelegentlich auf einer Leiter turnt. Ich halte das aber eher nicht für repräsentativ. In jedem Fall, ist das, was wir hier tun, nur eine Abschätzung. Denn de facto ist es unmöglich zu wissen, wie viele Leute nun tatsächlich eine Leiter benutzen oder nicht. Ich würde mal grob auf 50% der Bevölkerung tippen. Und damit wäre die Wahrscheinlichkeit eines Leiterunfalls schon zweimal so hoch wie von den Medien kolportiert.

Wie sieht es nun auf Seiten der Terroropfer aus? Ist es hier gerechtfertigt, die Opferwahrscheinlichkeit auf die Gesamtbevölkerung zu beziehen? Ich meine nein. Denn das Risiko, Opfer zu werden ist in unterschiedlichen Segmenten der Bevölkerung sehr unterschiedlich verteilt. Man sehe sich die Opfer der Attacken von Paris an. Deutlich überwiegend junge Leute unter vierzig Jahren, die gerne abends ausgehen. Genauso war es auch in Manchester.

Wenn man etwas gründlicher darüber nachdenkt, wird klar, dass sich die beiden Kategorien Terroranschlag und Sturz von der Leiter nicht so ohne weiteres vergleichen lassen. Der Terrorist will möglichst viele Menschen zu Tode bringen und sucht sich deshalb Plätze, die von vielen Leuten frequentiert werden. Alle Arten von Ereignissen, die in erster Linie junge Menschen in größeren Massen anziehen, sind deshalb bevorzugte Ziele. Ältere Menschen sind auf solchen Events eher selten anzutreffen. Und dann gibt es noch Unterschiede zwischen Stadt und Land, was die Häufigkeit von Anschlägen betrifft. Eine Gleichverteilung der Wahrscheinlichkeit innerhalb der Bevölkerung existitert schlicht und einfach nicht.

Auch wenn es auf den ersten Blick sehr plausibel erscheint, deutlich unterschiedliche Ereignisse hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeiten zu vergleichen, so ist dennoch äußerste Vorsicht angebracht. Allzu oft fallen bestimmte Aspekte unter den Tisch, bewusst oder unbewusst, die aber dazu angetan sind, das Ergebnis entscheidend zu verändern. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn Wahrscheinlichkeiten in den Medien auftauchen.





2018/02/06

Regenerative Energien in Deutschland 2016

Ich vermeide, wenn möglich, den Begriff "erneuerbare Energien", denn Energie lässt sich nicht erneuern. Das ist physikalisch unmöglich und wird auch durch gebetsmühlenartige Wiederholung der Grünbewegten nicht anders.

Aus meiner Sicht ist der Begriff "regenerative Energien" deutlich passender. Energie kann durch Anzapfen einer (unendlich) großen Quelle (im Allgemeinen die Sonne) in stets gleicher Weise re-generiert werden. Das gilt sowohl für Photovoltaik und Solarthermie als auch für Wind, Wasser und Biomasse, die letztlich ebenso auf das Wirken der Sonne zurückgehen.

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten (also seit Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, hier ist die physikalische Irreführung quasi amtlich-juristisch untermauert) wurde der Ausbau regenerativer Energieträger massiv betrieben. Wer auch nur kurze Strecken durch Deutschland fährt, kann sich davon ein Bild machen, wenn etwa riesige Windturbinen sanfte bewaldete Hügel durchschneiden oder einst sattgrüne Wiesen mit metallisch-grau glänzenden Solarpanelen verschandelt werden.

Immer wieder wird von den Protagonisten der "Erneuerbaren" auf die steigenden Erträge (in MWh) verwiesen und wieviel Prozent der Stromproduktion bereits mit Windrädern und Photovoltaik-Anlagen erzielt werden. Und wenn alles passt, also ein sehr niedriges Verbrauchsniveau auf eine frische Brise kombiniert mit strahlendem Sonnenschein trifft, mag es sogar gelingen, die Stromversorgung Deutschlands für ein paar Stunden ausschließlich mit regenerativen Energien zu bestreiten. So etwas wird dann auch brav im öffentlich-rechtlichen Propagandafunk berichtet.

Wie die Lage übers Jahr gesehen tatsächlich aussieht, lässt sich an folgendem Bild ablesen:


Hier werden die stündlichen Verbrauchswerte (Load) des Jahres 2016 der gesamten entsprechenden Produktion aus Wind und PV gegenüber- oder besser gesagt: untereinander gestellt. Es wird auf den ersten Blick klar, welche Lücke im allgemeinen besteht zwischen dem, was die deutsche Volkswirtschaft an elektrischer Energie braucht und dem, was von Wind und PV zusammen geliefert werden kann. Die Rohdaten für dieses Bild wurden der stets lesenswerten Webseite von Paul-Frederik Bach entnommen.

Dem Bild wurden noch die gleitenden Mittelwerte über 200-Stunden hinzugefügt. Auch für diese Mittelwerte ist der Unterschied zwischen dem regelmäßigen Verbrauchsmuster und der unregelmäßigen Verfügbarkeit von Wind und Sonne evident.

Es sind tatsächlich nur (stundenweise) Einzelfälle, in denen die Spitzen der Regenerativen in den unteren Bereich des Stromverbrauchs eindringen.

In mehr als 99,9% der Stunden eines Jahres reicht jedoch die geballte Kraft von Wind und Sonne nicht aus, um die (geringeren) Strombedürfnisse der deutschen Volkswirtschaft zu befriedigen. Und dafür werden jährlich viele Milliarden ausgegeben.