Warum essen wir?
Die
Antwort auf diese Frage hängt natürlich davon ab, wen man fragt: ein Westeuropäer
würde wohl eher das Genusshafte in den Vordergrund stellen, während jemand am
Rande des Verhungerns gewiss auf die Notwendigkeit des Überlebens hinweisen
würde. Alles eine Frage der Perspektive? Auf den ersten Blick vielleicht. Auf
den zweiten jedoch nicht.
Denn wer sich das
Notwendige hinter dem Genusshaften nicht mehr vergegenwärtigen kann, beweist
eigentlich nur ein gerüttelt Mass an Unwissenheit, vergleichbar einem
Vertreter der spätrömischen Dekadenz. Und die ging bekanntlich auch einmal zu
Ende.
Denn der Sinn des Essens,
der Nahrungsaufnahme, ist in allererster Linie die Zufuhr von Energie. Energie,
die unser Körper braucht, um seine wesentlichsten Aufgaben erfüllen zu
können. Um überleben zu können. Wer nicht isst, wird irgendwann nicht mehr
sein.
Der menschliche Körper
verbraucht pro Tag etwa 2 kWh Energie, sofern man auf (große) physische
Anstrengungen verzichtet. Diese Energie muss dem Körper wieder zugeführt
werden. Und je mehr wir uns körperlich verausgaben, umso mehr Energie muss
gleichsam nachgefüllt werden.
Wird der tägliche
Energieverbrauch nicht ausreichend ersetzt, dann kommt es über einen längeren
Zeitraum zu Gewichtsverlust. Üblicherweise pendelt sich dann wieder ein
neues Gleichgewicht ein, wobei sich Energieverbrauch und – zufuhr die Waage
halten. Man hat Gewicht verloren.
Wird dauerhaft zuwenig
Energie zugeführt, kommt es unweigerlich zu medizinischen Problemen, wofür
Hungersnöte anschauliche Beispiele liefern.
Der minimale
Energieverbrauch von 2 kWh pro Tag stellt sozusagen die untere Grenze dar, die
für unser (Über)leben essentiell ist. Wer darüber hinaus mehr leisten will (oder
muss, und zwar physisch oder geistig), der hat auch einen höheren
Energieumsatz, der leicht das Doppelte (oder mehr) der Untergrenze ausmachen
kann. Entsprechend muss dann auch mehr gegessen werden.
Das alles klingt recht
trivial und ist es auch. Umso erstaunlicher, dass sich die meisten Menschen
beim Thema Energie nicht an diese Trivialität erinnern, sondern lieber in
einem Wolkenkuckucksheim leben, in dem scheinbar alles möglich ist. Da klingt
es dann so, als könnte der Energieverbrauch eines Westeuropäers dank
Energiesparen und einiger innovativer Ideen quasi auf Null reduziert werden.
Energie ist die Essenz
des Lebens, und die Art und Weise, wie wir dieses Leben gestalten wollen,
definiert unausweichlich einen bestimmten damit verbundenen Energieverbrauch.
Der lässt sich zwar innerhalb bestimmter Grenzen variieren, aber nicht unter
ein festes Minimum drücken.
Sehen wir uns das an
einem konkreten Beispiel an: Jemand, der bislang nur auf der Couch vorm
Fernseher gesessen hat, beschliesst eines Tages, Marathonläufer zu werden. Mit
anderen Worten: sein täglicher Energieverbrauch wird deutlich nach oben gehen.
Das hat klarerweise Auswirkungen auf sein Essverhalten. Er muss mehr Energie
zuführen. Mit Sicherheit wird er nicht sein bisheriges Ernährungsprogramm
aufrecht erhalten können. Sein neuer, physisch anstrengender Lebensstil, erfordert einen höheren
Energieverbrauch. Will er zu seinen alten Essgewohnheiten zurückkehren, muss
er seinen Energieverbrauch zurückfahren, also deutlich weniger Sport treiben.
Hier wird in Ansätzen
deutlich, wie die Art unserer Aktivitäten den Energiehaushalt beeinflusst. Und
dieses Beispiel lässt sich noch weiter ausbauen. Unser Marathonmann will nicht
nur laufen, sondern auch noch duschen. Und zwar mit warmem Wasser. Nun, der
Autor dieser Zeilen braucht für eine Dusche etwa 2kWh (selbst gemessen). Und
das ist ein konservativer Wert. Ich kenne Leute, die kommen leicht auf mehr als
das. Also folgern wir: allein die Tatsache, dass wir täglich duschen, verdoppelt
bereits unseren minimalen täglichen Energieverbrauch. Man könnte natürlich
beschliessen, nur noch jeden zweiten oder dritten Tag zu duschen. Oder gar nur
einmal die Woche. Früher ging das ja auch. Das weiss ich aus eigener
Erfahrung.
Und mit jeder weiteren
Aktivität steigt unser Bedarf an Energie. Gibt es da auch eine Grenze nach
oben? Ich meine ja, wenn gleich ich (noch) nicht in der Lage bin, einen Wert
hierfür anzugeben. Der Grund für mein Ja ist folgender: Wir können zwar den Tag über eine ganze
Reihe von Tätigkeiten ausführen, aber es gibt eben natürliche Grenzen dafür.
Wir können nicht 24 Stunden am Tag Marathon laufen, jedenfalls nicht auf
Dauer. Und wenn ich den ganzen Tag unter der Dusche stehe, kann ich in dieser
Zeit nichts anderes machen. Und irgendwann muss ich ja auch schlafen.
Ich betrachte hier den
individuellen Energieverbrauch, und das ist meiner Meinung nach die
entscheidende Kenngröße, auch bei der Betrachtung von Volkswirtschaften.
Nehmen wir den gesamten Energiebedarf eines Landes, so ist es sinnvoll, diese
Größe auf den Prokopfverbrauch herunterzubrechen. Denn die Bevölkerung eines
Landes ist nicht statisch, sondern verändert sich ständig. Wenn in einem Land heute 10 Millionen Menschen leben und im Jahr darauf 11 Millionen, dann wird
das Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben. Denn die zusätzliche Million
verbraucht ja auch Energie, die in die Gesamtbilanz einfliesst.