2017/04/23

Falsche Genauigkeit

Ist Kohle der Energieträger der Zukunft? Wie bitte? -  werden Sie sich jetzt fragen. Wo doch gerade die Kohle als Inbegriff der schmutzigen und klimaschädlichen Energie gilt. 

Also gut, lassen Sie es mich erklären. In der Schweiz gibt es alljährlich eine hochinteressante statistische Aufbereitung des Energieverbrauchs, die nach Verwendungszwecken aufgeschlüsselt ist. In letzter Zeit ist zu dieser Übersichtsanalyse auch eine spezifische Behandlung des Energieverbrauchs der privaten Haushalte gekommen.  In der jüngsten Ausgabe dieser Analyse findet sich auf S. 22 eine Tabelle der Verbrauchszahlen für die einzelnen Energieträger (Tabelle 3-1). Und dieser entnehmen wir, dass in den Jahren 2000 bis 2015 der Verbrauch von Kohle um nicht weniger als 208% (!) zugenommen hat. Und zwar von 0,1 auf 0,4 PJ (Petajoule). Nun werden Sie sagen, dass der Anstieg von 0,1 auf 0,4 deutlich mehr als 208% ausmacht. Stimmt - aber nur, wenn sich auf die erste Dezimale beschränkt und alle anderen Nachkommastellen einfach abschneidet.  Angenommen, die beiden Werte seien 0,13 und 0,39, dann ergibt sich eine Steigerung von 200%. Na also, geht doch.

Spannend, nicht wahr? Diese Beobachtung steckt also hinter meiner provokanten Eingangsfrage. Woher kommt das?- werden Sie sich fragen. Immerhin handelt es sich bei dieser Arbeit, für die die renommierte Prognos AG verantwortlich zeichnet, um eine seriöse Studie. Aber auch die genauesten Studien können gelegentlich mit Ungereimtheiten aufwarten. 

Sehen wir uns die Sache im Detail an. Der gesamte Energieverbrauch der Privathaushalte in der Schweiz lag 2015 bei 232,4 PJ (ich verwende dieselben Einheiten wie Prognos) . Verglichen damit fallen die 0,4 PJ natürlich überhaupt nicht ins Gewicht, machen also bloß 0,2% des Gesamtverbrauchs aus. Es handelt sich also um statistischen Dreck. Und im Dreck soll man bekanntlich nicht wühlen. 

Generell gilt, dass kleine (absolute) Größen große (relative) Ausschläge nach sich ziehen können. Und umgekehrt verändern sich große Einheiten im Allgemeinen nicht mehr so stark. Die Zuwachsraten regenerativer Energieformen waren in den letzten Jahren sehr beeindrucken. Das ist aber ihrer derzeit kleinen absoluten Position innerhalb des Energieportfolios geschuldet. In den nächsten Jahren werden diese Zuwächse deutlich kleiner werden. Das hängt nicht nur mit den steigenden Kosten für neue Windkraftanlagen etc. zusammen, sondern liegt einfach in der Natur der Sache.

    



2017/04/02

Grundsätzliches zur Energie

Warum essen wir? 

Die Antwort auf diese Frage hängt natürlich davon ab, wen man fragt: ein Westeuropäer würde wohl eher das Genusshafte in den Vordergrund stellen, während jemand am Rande des Verhungerns gewiss auf die Notwendigkeit des Überlebens hinweisen würde. Alles eine Frage der Perspektive? Auf den ersten Blick vielleicht. Auf den zweiten jedoch nicht.

Denn wer sich das Notwendige hinter dem Genusshaften nicht mehr vergegenwärtigen kann, beweist eigentlich nur ein gerüttelt Mass an Unwissenheit, vergleichbar einem Vertreter der spätrömischen Dekadenz. Und die ging bekanntlich auch einmal zu Ende.

Denn der Sinn des Essens, der Nahrungsaufnahme, ist in allererster Linie die Zufuhr von Energie. Energie, die unser Körper braucht, um seine wesentlichsten Aufgaben erfüllen zu können. Um überleben zu können. Wer nicht isst, wird irgendwann nicht mehr sein.

Der menschliche Körper verbraucht pro Tag etwa 2 kWh Energie, sofern man auf (große) physische Anstrengungen verzichtet. Diese Energie muss dem Körper wieder zugeführt werden. Und je mehr wir uns körperlich verausgaben, umso mehr Energie muss gleichsam nachgefüllt werden.
Wird der tägliche Energieverbrauch nicht ausreichend ersetzt, dann kommt es über einen längeren Zeitraum zu Gewichtsverlust. Üblicherweise pendelt sich dann wieder ein neues Gleichgewicht ein, wobei sich Energieverbrauch und – zufuhr die Waage halten. Man hat Gewicht verloren.
Wird dauerhaft zuwenig Energie zugeführt, kommt es unweigerlich zu medizinischen Problemen, wofür Hungersnöte anschauliche Beispiele liefern.

Der minimale Energieverbrauch von 2 kWh pro Tag stellt sozusagen die untere Grenze dar, die für unser (Über)leben essentiell ist. Wer darüber hinaus mehr leisten will (oder muss, und zwar physisch oder geistig), der hat auch einen höheren Energieumsatz, der leicht das Doppelte (oder mehr) der Untergrenze ausmachen kann. Entsprechend muss dann auch mehr gegessen werden.

Das alles klingt recht trivial und ist es auch. Umso erstaunlicher, dass sich die meisten Menschen beim Thema Energie nicht an diese Trivialität erinnern, sondern lieber in einem Wolkenkuckucksheim leben, in dem scheinbar alles möglich ist. Da klingt es dann so, als könnte der Energieverbrauch eines Westeuropäers dank Energiesparen und einiger innovativer Ideen quasi auf Null reduziert werden.

Energie ist die Essenz des Lebens, und die Art und Weise, wie wir dieses Leben gestalten wollen, definiert unausweichlich einen bestimmten damit verbundenen Energieverbrauch. Der lässt sich zwar innerhalb bestimmter Grenzen variieren, aber nicht unter ein festes Minimum drücken.

Sehen wir uns das an einem konkreten Beispiel an: Jemand, der bislang nur auf der Couch vorm Fernseher gesessen hat, beschliesst eines Tages, Marathonläufer zu werden. Mit anderen Worten: sein täglicher Energieverbrauch wird deutlich nach oben gehen. Das hat klarerweise Auswirkungen auf sein Essverhalten. Er muss mehr Energie zuführen. Mit Sicherheit wird er nicht sein bisheriges Ernährungsprogramm aufrecht erhalten können. Sein neuer, physisch anstrengender  Lebensstil, erfordert einen höheren Energieverbrauch. Will er zu seinen alten Essgewohnheiten zurückkehren, muss er seinen Energieverbrauch zurückfahren, also deutlich weniger Sport treiben.

Hier wird in Ansätzen deutlich, wie die Art unserer Aktivitäten den Energiehaushalt beeinflusst. Und dieses Beispiel lässt sich noch weiter ausbauen. Unser Marathonmann will nicht nur laufen, sondern auch noch duschen. Und zwar mit warmem Wasser. Nun, der Autor dieser Zeilen braucht für eine Dusche etwa 2kWh (selbst gemessen). Und das ist ein konservativer Wert. Ich kenne Leute, die kommen leicht auf mehr als das. Also folgern wir: allein die Tatsache, dass wir täglich duschen, verdoppelt bereits unseren minimalen täglichen Energieverbrauch. Man könnte natürlich beschliessen, nur noch jeden zweiten oder dritten Tag zu duschen. Oder gar nur einmal die Woche. Früher ging das ja auch. Das weiss ich aus eigener Erfahrung.

Und mit jeder weiteren Aktivität steigt unser Bedarf an Energie. Gibt es da auch eine Grenze nach oben? Ich meine ja, wenn gleich ich (noch) nicht in der Lage bin, einen Wert hierfür anzugeben. Der Grund für mein Ja ist folgender:  Wir können zwar den Tag über eine ganze Reihe von Tätigkeiten ausführen, aber es gibt eben natürliche Grenzen dafür. Wir können nicht 24 Stunden am Tag Marathon laufen, jedenfalls nicht auf Dauer. Und wenn ich den ganzen Tag unter der Dusche stehe, kann ich in dieser Zeit nichts anderes machen. Und irgendwann muss ich ja auch schlafen.

Ich betrachte hier den individuellen Energieverbrauch, und das ist meiner Meinung nach die entscheidende Kenngröße, auch bei der Betrachtung von Volkswirtschaften. Nehmen wir den gesamten Energiebedarf eines Landes, so ist es sinnvoll, diese Größe auf den Prokopfverbrauch herunterzubrechen. Denn die Bevölkerung eines Landes ist nicht statisch, sondern verändert sich ständig. Wenn in einem Land heute 10 Millionen Menschen leben und im Jahr darauf 11 Millionen, dann wird das Auswirkungen auf den Energieverbrauch haben. Denn die zusätzliche Million verbraucht ja auch Energie, die in die Gesamtbilanz einfliesst.