2017/07/23

Wärmedämmung - Eine Investition in die Zukunft?

Zum Thema Wärmedämmung gibt es sehr kontroverse Meinungen. Die einen loben die Energieersparnis und den Beitrag zum sogenannten Klimaschutz. Die anderen verweisen auf hohe Kosten und geringe tatsächliche Einsparungen. Wer hat Recht? - Eine mehr als legitime Frage.

Aus persönlichen Erfahrungen kenne ich sowohl gedämmte als auch ungedämmte Behausungen. Ich habe vor etlichen Jahren in einer Wohnung gelebt, die nur einfach verglaste (und zudem recht alte) Fenster hatte. Im Winter hatte es dort ungeheizt etwa 16°C. Stellte ich abends die Heizung an, wurde es zwar schnell knuffig warm, nach dem Abschalten fiel die Temperatur allerdings fast ebenso schnell wieder auf den Ausgangswert zurück. Dieses Problem ließ sich durch den Einbau neuer doppelt verglaster Fenster beheben. Es blieb deutlich länger warm. Nur tauchte jetzt eben ein anderes Problem auf: Es musste regelmäßig gelüftet werden, weil sich sonst Schimmel bilden konnte. Schon hieraus sollte klar werden, dass es sich bei der Frage der Wärmedämmung keineswegs um eine simple Win-win-Situation handelt.

Der Brand des Grenfell-Towers in London und die Katastrophe, die sich daraus ergab, nicht zuletzt durch die Verwendung brennbarer Dämmmaterialien, hat wieder einmal die Frage aufgeworfen, wie sinnvoll es überhaupt ist, bestehende Objekte wärmemäßig zu isolieren.

Hier findet der interessierte Leser, was in den Medien nicht zu finden war,  nämlich eine Analyse des energetischen und finanziellen Nutzens der nachträglichen Isolation des Grenfell-Towers. Ein guter Ausgangspunkt ist ein Blogpost in Euran Mearns Energy Matters und die sich daran anschließende Diskussion. Darin kam ein Teilnehmer zu der Abschätzung, dass die Amortisationszeit für die Wärmedämmung des Hochhauses mit etwa 250 Jahre veranschlagt werden müsste. Eine beeindruckende Zahl, die es wert ist, genauer unter die Lupe genommen zu werden. Dazu schätzte der Diskutant die Außendämmfläche des Hochhauses ab, nahm dazu noch die Wärmeleitungswerte der verwendeten Materialien und die Jahresdurchschnittstemperatur in London zur Hand und konnte daraus die Energieeinsparung bestimmen. Zusammen mit den Gesamtkosten für die Renovierung des Grenfell-Towers und den aktuellen Energiekosten, lässt sich somit die Amortisationszeit abschätzen.

Wir werden hierzu eine ähnliche Berechnung anstellen, die jedoch von einem ganz anderen Modell ausgeht, und anschließend unsere Erkenntnisse mit der obigen Abschätzung vergleichen. Der Grenfell-Tower besitzt mit seinen 24 Stockwerken eine Gesamtfläche von etwa 9600 m^2. Um die Wohnfläche mit dem Energieverbrauch in Beziehung zu setzen, benutzen wir statistische Daten aus Schweden, die dort jährlich erhoben werden. Schweden ist tendenziell kälter als England, kann daher für unsere Abschätzung als Extremfall dienen. Das heißt, unsere Werte für die Energieersparnis werden höchstwahrscheinlich über jenen aus London liegen. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass die Amortsationszeit aus unserer Berechnung noch am unteren Ende dessen liegt, was man für England erwarten sollte. Denn wenn man weniger Energie spart, dauert es eben auch länger, bis man die Kosten wieder eingespielt hat.

Zurück zu den schwedischen Daten. Dort betrug der durchschnittliche Energieverbrauch (Heizung und Warmwasser) für Gebäude, die zwischen 1971 und 1980 gebaut wurden, 135 kWh pro m^2 und Jahr (2015). Der entsprechende Wert für Gebäude aus den Jahren zwischen 2001 und 2010 lag bei 108 kWh pro m^2 und Jahr.

Der gesamte Energieverbrauch des ungedämmten Hochhauses betrug also etwa 1296 MWh pro Jahr. Nach der Dämmung sollte der Verbruach auf etwa 1037 MWh gefallen sein. Die Differenz beträgt somit 259 MWh, also grosso modo 20%.

Womit wurde geheizt? Bei Bauten aus jener Zeit wahrscheinlich mit Öl oder Gas. Rechnen wir das Ganze mal mit Öl durch. Eine MWh Heizöl kostet in Großbritannien ca. 46 GBP (Stand Juni 2017). Die Kostenersparnis pro Jahr beträgt also etwa 12 000 GBP. Setzen wir das ins Verhältnis zu den Gesamtkosten für die Wärmedämmung von 2,6 Mio. GBP, so erhalten wir eine Amortsationszeit von 218 Jahren.

Wie sieht es mit Gas aus? Hier stehen Kosten von 28 GBP pro MWh zu Buche. Die Amortisationszeit wäre dann mehr als 350 Jahre.

Welche Art der Heizung wir auch zugrunde legen, die Zeit zur Einspielung der Kosten für die Wärmedämmung dürfte deutlich über der Lebensdauer des Hochhauses liegen. Um es noch einmal zu betonen, unser Modell beruht auf Vergleichsdaten aus Schweden. Die entsprechenden Werte für England sollten etwas niedriger sein, was auch für die Einsparungswerte gilt. Damit dürfte unsere Abschätzung am unteren Ende der Amortisationszeit liegen. Wir sehen gleichzeitig, dass die Abschätzung des Kommentators aus Energy Matters durchaus in die richtige Richtung wies.

Fazit: Was sich auf den ersten Blick als ein gutes Investment präsentiert, wird bei genauerer Betrachtung eine finanzielle Bürde über Jahrhunderte.



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