2017/05/28

Das Schweigen zu Pellworm

Die Nordseeinsel Pellworm hat sich das ambitionierte Ziel gesteckt, bis 2020 eine "100 Prozent EE-Insel" zu werden. So entnehmen wir es einem SPON-Artikel aus dem Jahr 2012.

Inzwischen ist einiges passiert. Das Projekt SmartRegion Pellworm wurde geboren und eine eigene Webseite informiert die Öffentlichkeit rudimentär über den Stand der Dinge. Die Projektergebnisse sind ebenfalls im Internet verfügbar, allerdings nach meinem Dafürhalten nicht in der gebotenen Klarheit und Ausführlichkeit. Ich habe deshalb vor einiger Zeit eine Anfrage an die Projektbetreiber gerichtet mit der Bitte um genauere Details. Diese wurden jedoch nicht herausgerückt. Vielleicht gibt es ja gute Gründe dafür.

Was ist auf der Insel geschehen? Zusätzlich zu den bereits bestehenden Solar- und Windkraftanlagen wurde ein Hybridkraftwerk mit mehr als 1 MW Leistung errichtet. Dazu gesellte sich noch ein Biomassekraftwerk mit einer Leistung von 500 kW. Da selbst den überzeugtesten EE-Anhängern klar ist, dass Sonne und Wind nicht im Dauerbetrieb laufen, musste für allfällige Dunkelflauten vorgesorgt werden. Dies geschah mit dem Bau zweier großer Batteriespeicher, dem Einbau von 11 PV-Haushaltsspeichern sowie der Montage von Elektrospeicherheizungen in sechs Haushalten. Die gesamte Kapazität dieser Speicher beträgt etwa 3,7 MWh.

Auf diesem Blog geht es weniger um die Kosten, als vielmehr um die physikalischen Aspekte von Energiegewinnung und -verbrauch. Denn vor jeder Kostenrechnung kommt die Physik. Wie gesagt, hätte ich gerne mehr Informationen über die zeitlichen Energieflüsse auf der Insel gehabt, diese aber leider nicht bekommen. Die folgenden Überlegungen orientieren sich folglich an den Angaben aus dem Projektbericht sowie aus weiteren statistischen Daten aus frei zugänglichen Quellen.

Die gesamte auf der Insel bereitgestellte Energie stammt aus folgenden Quellen:

Solar PV      2,7 MW
Wind            5,7 MW
Biogas          0,5 MW

Das Jahr über produziert diese Trias nach meinen Berechnungen etwa 19 GWh (laut Projektbericht sind es 20 GWh).

Diese Zahl müssen wir nun vergleichen mit Stromverbrauch auf der Insel. Auf Pellworm leben etwa 1200 Einwohner in 560 Haushalten. Daraus lässt sich ein Jahresverbrauch von etwa 3700 MWh abschätzen (inklusive elektrischer Heizung bei ca. 23 % dieser Haushalte). Der Projektbericht spricht demgegenüber von einem Verbrauch von 7 GWh, also etwa das Doppelte. Die Differenz lässt sich darauf zurückführen, dass Pellworm ein beliebtes Touristenziel ist mit etwa 160 000 Übernachtungen jährlich. Auch Touristen wollen morgens gerne duschen und verbrauchen direkt oder indirekt die eine oder andere Kilowattstunde. Dazu kommt noch die Landwirtschaft auf der Insel, deren Strombedarf hier nicht quantifiziert werden soll. Alles in allem scheint also die Gesamtzahl von 7 GWh durchaus plausibel zu sein.

Wir halten fest, dass auf Pellworm ein Stromangebot von 20 GWh einem Bedarf von 7 GWh gegenüber steht. Es wird also knapp das Dreifache dessen produziert, was man braucht. Nicht schlecht. Nun ist es natürlich klar, dass der Strom aus regenerativen Quellen nicht konstant fließt, sonst könnten wir uns dieses Posting hier schenken. Um kurzzeitige Schankungen auszugleichen, hat man die oben erwähnten Speicherkapazitäten geschaffen.

Um eine Vorstellung davon zu erhalten, wie lange diese Speicher vorhalten, berechnen wir den durchschnittlichen Tagesverbrauch auf der Insel, der rund 19 MWh beträgt, im Winter wohl etwas mehr als im Sommer. Wir sehen also, dass die Speicher für rund 20 % des Tages reichen, d.h. etwa 4 Stunden. Mit anderen Worten: Bei einer Dunkelflaute von 4 Stunden wird es auf Pellworm knapp.
Dunkelflauten können aber noch deutlich länger sein. Dann muss die Insel vom Festland her versorgt werden.

Am Ende des Projektberichts findet sich eine Auflistung von insgesamt 11 Ergebnissen, die keine wirklich überraschenden Erkenntnisse, sondern vielmehr Trivialitäten beinhalten. Wesentlich aussagekräftiger ist jedoch eine Passage, die sich auf Seite 12 befindet. Dort heißt es:

Das Speichersystem wurde so dimensioniert, dass die verschiedenen Technologien für verschiedene Anwendungen sinnvoll getestet werden konnten - das Erreichen einer komplett energieautarken Insel war nicht das Ziel des Projekts und hätte eine etwa doppelt so große Dimensionierung erfordert, um auch die letzten 2,5 % der auf der Insel benötigten Energie wähtend wind- und sonnenarmen Zeiten  aus gespeicherter Energie zu decken. 

Diese Aussage ist bemerkenswert, und zwar in mehrfacher Hinsicht.

1. "Das Erreichen einer komplett energieautarken Insel war nicht das Ziel des Projekts". Das sahen manche Leute vor einigen Jahren noch ganz anders. Wo, wenn nicht hier, auf einer wind- und sonnenreichen Insel mit moderatem Energieverbrauch (es gibt keine industriellen Großverbraucher), könnte man dieses Ziel anvisieren? Es ist nachgerade so, als würde ein Bergsteiger zu einer Mount-Everest-Tour aufbrechen, 100 Meter vor dem Gipfel wieder umkehren und sagen, er wollte ohnehin nie ganz oben stehen.

2. Es fehlten "die letzten 2,5 % der auf der Insel benötigten Energie". Angesichts der Tatsache, dass auf Pellworm fast dreimal soviel Strom produziert wird wie benötigt, ist diese Aussage bestenfalls ein schlechter Witz. Was können wir aus diesem Statement lernen? Der gesamte Energiebedarf auf Pellworm beträgt, wie wir gesehen haben, 7 GWh. 2,5 % davon sind 175 MWh. Bei einem durchschnittlichen Tagesverbrauch von 19 MWh (im Winter etwas mehr) entsprechen die "letzten 2,5 %" also etwa 9 Tagen. Das bedeutet, dass die Insel für etwas mehr als eine Woche im Jahr auf die Versorgung vom Festland angewiesen ist, weil sie selbst nicht genug Strom erzeugen kann.  

3. "Das Speichersystem [...] hätte eine doppelt so große Dimensionierung erfordert...". Auch diese Aussage ist leicht irreführend. Man fragt sich, warum das nicht wenigstens versucht wurde. Bei Gesamtkosten von etwa 12 Millionen Euro wäre es auf die eine oder andere Million nicht mehr angekommen. Immerhin hätte man dann das Traumziel erreicht. Richtig ist vielmehr, dass auch ein doppelt so großes Speichervolumen das Problem nur gemildert, aber nicht behoben hätte. Entsprechend unserer obigen Abschätzung könnte in diesem Fall die Insel für acht Stunden (anstatt für vier) aus Speicherquellen versorgt werden. Aber wenn die Flaute länger dauert, was nicht auszuschließen ist, dann sitzen die Menschen wieder im Dunkeln.  

Am Beispiel Pellworm wird die Crux der Energiewende mehr als deutlich. Man kann Energie im Überfluss aus regenerativen Quellen erzeugen, aber wenn sich daraus keine konstante Versorgung herstellen lässt, ist alles umsonst. Da helfen auch die 220 auf der Insel installierten Smartmeter und sonstiges Brimborium nichts. Denn die Smartmeter produzieren keine einzige zusätzliche Kilowattstunde, vielmehr dienen sie einzig und allein der möglichst effizienten Verwaltung des Mangels. Und bei einer Dunkelflaute steht auch das smarteste Smartmeter plötzlich nackt da.

Vielsagend ist hingegen das Schweigen der Medien. Während sonst jeder neue Produktionsrekord an Sonnen- oder Windenergie triumphal hinausposaunt wird, herrscht plötzlich verräterische Stille im Blätterwald. Nur gelegentlich wird über die SmartRegion Pellworm berichtet. Ein Armutszeugnis für eine Medienlandschaft, die mehr auf ideologische Indoktrination als auf objektive Information setzt. Insofern nichts Neues.





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